Führung im Doppelpack
«Als Tandem haben wir zwei unterschiedliche Sichtweisen. Bei grösseren Entscheidungen können wir diskutieren und uns auf den besten Weg einigen.»
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Seit Anfang Jahr leiten Yvonne Gmür und Irene Steiner die Migros-Filiale Reichenburg im Tandem. So können sie trotz Teilzeitarbeit wieder vermehrt berufliche Verantwortung übernehmen.
Plötzlich passte alles zusammen. Als vor knapp zwei Jahren der damals neue Leiter Verkaufsgruppe Michael Artho zusammen mit seinem Vorgänger auf Verkaufsgruppentour war, traf er auf die Mitarbeiterinnen Yvonne Gmür und Irene Steiner. Yvonne arbeitete in der Migros Niederurnen und Irene im Seedamm-Center Pfäffikon – aber beide waren in einer ähnlichen Situation. Sie hatten ein Teilzeitpensum ohne Führungsfunktion, dabei hatten sie zuvor schon Migros-Filialen geführt. Wegen ihrer Kinder hatten sie ihr Pensum reduziert und die Führung abgegeben. «Wir witzelten mit ihm darüber, dass wir zu zweit eine Filiale führen könnten», sagt Yvonne. Vorstellen konnten sie sich nur Reichenburg – die Filiale liegt 10 beziehungsweise 20 Minuten von den Wohnorten der zwei entfernt. Als dann ein knappes Jahr später tatsächlich eine Filialleitung für Reichenburg gesucht wurde, wurde die Idee konkret. «Wir hatten den grossen Vorteil, dass wir uns schon vorher gut gekannt haben», sagt Irene. Sie hatten bereits in Uznach, Wädenswil und Fällanden zusammengearbeitet. So fiel ihnen die Entscheidung nicht schwer, zusammen die Leitung in Reichenburg zu übernehmen.
Digitaler Notizblock
Seit Anfang 2024 arbeiten sie nun erfolgreich als Co-Filialleiterinnen zusammen, beide im 55-Prozent-Pensum. «Wir brauchten unsere Zeit, um uns einzupendeln», sagt Irene. Eine der grössten Schwierigkeiten sei die Kommunikation. Mit nur rund zwei Stunden Überschneidung pro Woche bleibt wenig Zeit für den Informationsaustausch. «Wir dürfen nicht vergessen, uns gegenseitig zu informieren – gerade auch darüber, was wir mit unseren Mitarbeitenden besprochen haben», sagt Yvonne. Seit die beiden konsequent das Programm One-Note als eine Art geteilten digitalen Notizblock benutzen, sei das aber kein Thema mehr.
Für Irene und Yvonne überwiegen die positiven Seiten. «Als Tandem haben wir zwei unterschiedliche Sichtweisen. Bei grösseren Entscheidungen können wir diskutieren und uns auf den besten Weg einigen», sagt Irene. Zudem seien sie jetzt flexibler in der Einteilung der Arbeitszeiten und nicht mehr abhängig von einem Schichtplan. «Und: Ich bin überzeugt, dass ein Arbeitgeber mehr von einer Teilzeitführungskraft hat, weil diese mehr Erholungszeit und Abwechslung von der Arbeit hat», sagt Irene, die mit ihrer Familie auf einem Bauernhof lebt.
Hinter den Entscheidungen stehen
Auch wenn die zwei Filialleiterinnen eine Einheit bilden, bringen sie unterschiedliche Arbeitsweisen und Stärken mit. Yvonne sei sehr korrekt, gut in administrativen Belangen und arbeite E-Mails sofort ab, meint Irene. Sie selbst arbeite da eher nach Prioritäten und lasse eine E-Mail auch mal liegen, wenn es nicht dringend sei. «Dafür hat Irene mehr Erfahrung in der Gesprächsführung mit den Mitarbeitenden», wirft Yvonne ein. Mittlerweile gibt es deshalb Aufgaben, die sie klar aufgeteilt haben.
Viele alltägliche Aufgaben können aber nicht aufgeteilt werden. Zahlreiche kleine Entscheidungen treffen die beiden ohne Absprache. «Man kann den Weg rechtsrum oder linksrum nehmen. Hinter den Entscheidungen der anderen müssen wir trotzdem jeweils stehen», sagt Yvonne. Damit müsse man umgehen können. Hier hilft es, dass sie sich gegenseitig vertrauen. Irene sieht das Ganze aber sowieso entspannt: «Wir haben von Anfang an gesagt: Wir hören auf, wenn es nicht funktioniert. Da fällt uns kein Zacken aus der Krone.»
Doch bis jetzt war keine Notbremsung nötig. Von ihren Mitarbeitenden und auch von der Kundschaft bekommen sie positive Rückmeldungen. Hätte nicht alles so gut zusammengepasst, würde das berufliche Potenzial der zwei ungenutzt bleiben. «Es ist schön, bekommt man eine solche Chance bei der Migros Zürich», sagt Irene. Dass das Experiment bis jetzt fruchtet, hängt nicht zuletzt mit der Unterstützung und Offenheit ihres Vorgesetzten Michael Artho zusammen. Die beiden können sich vorstellen, dass sich das Modell innerhalb der GMZ etabliert. Irene: «Ich kenne viele Mitarbeitende, die gut ausgebildet sind, aber aufgrund von Teilzeit keine Mitarbeitenden mehr führen. Dieses Potenzial könnten wir nutzen.»